Ein persönliches Statement zum Schluss

Digitale Souveränität sieht anders aus. Bereits in der Gründungsphase wurde unser Anspruch bezüglich Digitaler Souveränität formuliert. „Wir mieten nicht, wir vermieten“ und: „Wir lieben Open Source“. Ersteres haben wir weitestgehend seit 2005 erreicht: wir mieten zwar die Fläche unseres DataCenters, innerhalb dessen ist aber alles ausschließlich unter eigener Kontrolle. Und OpenSource wird im produktiven Bereich schon von Beginn an überall dort eingesetzt, wo unsere Kunden nicht ausdrücklich ClosedSoftware verlangen, weil es eben notwendig ist. Und zur Erinnerung: OpenSource heisst einsehbar, nicht „gratis“.

Insofern sind wir wesentlich souveräner als alle Wiederverkäufer oder Reseller. Flexibel auf sich ändernde Anforderungen von Kunden einzugehen zu können, das war in 2020 wichtiger als je zuvor.

Was gab’s denn nun Neues im Unternehmen?

Manches wurde umstrukturiert, Dinge und Begriffe bekamen eine andere Bedeutung. Wenn früher ein Team die Mitglieder einer Funktionseinheit oder einer Abteilung darstellte, so ist heute die Gruppe der Personen, die sich körperlich begegnen ein Team. Direkte Kontakte mit anderen werden vermieden, auch, wenn man der gleichen Tätigkeit nachgeht.

Vier Augen-Prinzip oder Kontaktvermeidung? Das ist zum Beispiel im DataCenter spannend. Hier gibt es durch die Klimatisierung starke Luftbewegungen. Also haben wir die Regel, dass sich nur mehr jeweils eine Person in einem Raum aufhalten darf. Das Vier Augen-Prinzip kann also für Tätigkeiten im DataCenter nicht wirklich angewendet werden. Also muss in die Vorbereitung und die Ergebniskontrolle mehr Dokumentationsaufwand gesteckt werden.

Und das gilt sicher für viele Unternehmen: Relevante Prozesse müssen angepasst werden. Das ist zwar nicht wirklich neu, gewinnt aber aktuell verstärkt an Bedeutung.Bei uns bedeutet das auch, dass wir noch mehr abstrahieren, vorbereiten und dann quasi software-gesteuert verwalten müssen, wenn wir unsere Systemsicherheit und gleichzeitige Flexibilität halten, vielleicht verbessern wollen.

Die Glaskugel

„Prognosen sind immer schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ Dieses Zitat wird Nils Bohr, dem dänischen Physiker zugeschrieben. Obwohl die Zuordnung strittig ist und mehrere Persönlichkeiten als Urheber genannt werden, möchte ich der Aussage des Zitats widersprechen. Wenigstens, was das Thema Flexibilität betrifft, wage ich die Prognose: „Die Notwendigkeit der zeitlichen, örtlichen und persönlichen Flexibilität wird weiter zunehmen“. Obwohl ich weiß, daß dies nicht uneingeschränkt positiv ist, sollten wir versuchen, daraus das beste zu machen. Das bedeutet, dass wir unsere Arbeitsmittel entsprechend auswählen und unser Umfeld gestalten. Und damit sind wir wieder beim Thema Souveränität. Ich habe nur dann die Wahl, wenn ich unabhängig bin.

Was also wird sein?

Es wird eine Marktbereinigung in vielen Branchen geben. Das klingt brutal, aber wir machen uns nichts vor: Das ist die neue Realität, auf die wir uns einstellen müssen. Und das gilt besonders für Unternehmen,

  • welche die letzten Monate nur noch existierten, weil die deutsche Bundesregierung die Meldepflicht für Insolvenzen ausgesetzt hat. Denn sie waren oft schon vor Beginn diesen Jahres nicht mehr zukunftsfähig.
  • die ihre Strukturen nicht bereits heute in Richtung Flexibilität ausrichten, sondern in trügerischer Hoffnung auf Hilfe „von oben“ am alten „weiter so“ festhalten. Sie werden diese Krise sehr wahrscheinlich ebenfalls nicht überleben.
  • mit Produkten und Dienstleistungen, die weder gesellschaftlich relevant sind, keine belastbaren Alleinstellungsmerkmale besitzen und nicht den Luxusmarkt adressieren. Sie fallen als „nicht wichtig genug“ hinten runter und sind deshalb stark gefährdet.
  • die nicht wirklich groß bzw. fürs Überleben am Markt eigentlich zu klein sind und entsprechend zu wenig Umsätze machen. Wenn sie zudem auch nicht netzwerkorientiert arbeiten, dann haben sie es zukünftig noch schwerer und scheitern schneller oder werden im „glücklichen“ Fall ein Übernahmekandidat.

Gegenmittel?

Viele Märkte oder Branchen werden noch stärker von Konzernen beherrscht werden. Deren „Sichtbarkeit“ ist in der Regel bereits jetzt übermächtig. Dagegen zu bestehen, erfordert mehr und vor allem qualifizierte Anstrengungen in den Online-Medien. Was uns betrifft, rückt das Thema WebSite-Optimierung deshalb im neuen Jahr wieder nach vorn. Aber ein anderes Feld gewinnt zusätzlich an neuer Bedeutung, nämlich die

Medienkompetenz

Sie ist eigentlich existenziell, seit das Internet als World Wide Web seinen rasanten Aufstieg nahm. Aber lässt sich das noch steigern? Wir denken, die Antwort in den nächsten Monaten und Jahren lautet: JA! Denn im Alltag geht schon seit Jahren kaum noch etwas „ohne“. In 2020 zeigte sich das Internet als Retter in der Not. Aber es offenbarte auch die Schwachstellen: Die meisten Menschen haben immer noch durchgehend überhaupt keine Ahnung, worauf sie sich da einlassen. Arglos installieren sie jede noch so hilfreich erscheinende App (das Endgerät spielt hier überhaupt keine Rolle), ohne das Kleingedruckte zu lesen oder die Nebenwirkungen zu kennen. Oder sie fordern eine Technik, deren Voraussetzungen und Anforderungen sie nicht kennen und wundern sich, daß hinterher nichts funktioniert.

Ein Beispiel

Wir hören, dass die Schulen WLAN brauchen. Das ist inzwischen recht einfach zu realisieren. Viel schwieriger ist die Beschaffung des „Uplink“, also die Versorgung mit einem wirklich breitbandigen Internet-Zugang von außen. Denn in unserer digitalen Bananenrepublik ist dieser in vielen Regionen immer noch eher die Ausnahme. Für unsere Export- und Industrienation sehr peinlich, aber leider wahr. Und dann braucht man für den datensensiblen Bereich Schule ein hohes Sicherheits-Niveau. (Es geht um den Schutz unseres Nachwuchses!) Doch auch da sind ja Lösungen in Aussicht gestellt.

Ein weiteres Beispiel

Ich musste lernen, dass LehrerInnen heutzutage ihre sehr persönliche, vertraulich Kommunikation mit anderen LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern am liebsten per WhatsApp führen. Eine bessere Werbung für den undurchsichtigen Betreiber gibt es nicht (Wer war das noch gleich?). Der Unterricht findet dann über Zoom statt. (Nein, auch die verkaufen natürlich keine Daten der Schüler, Eltern, Lehrer und Schulen…). Aber an alle Lehrer, mal hergehört: Es gibt richtig gute Lösungen mit TÜV-Zertifikat von deutschen Betreibern, also bedienfreundlich, sicher und datengeschützt (aber will das schon…). Und wie kriegt man das heraus? Ganz einfach: Googlen! (Oder, wie wir früher sagten: recherchieren.)

Früher kritisierten wir die Professoren und ihren Wissensstand, weil wir die Praxistauglichkeit der Lehre bezweifelten. Wenn ein „Pädagogik-Prof“ also heute mit dem medialen Wissenstand von gestern lehrt, dann bedeutet das für die zukünftigen Lehrer an den allgemeinbildenden Schulen, dass sie hier mit untauglichem Wissen entlassen werden. Und die erfahrenen Pädagogen sind hier gleichfalls keine Hilfe. Denn auch sie finden wenig Unterstützung in Sachen medialer Weiterbildung. Es sei denn, sie ließen sich von ihren Schülern „belehren“. Doch diese besitzen ebenfalls nur Bruchteilwissen, wenn sie keine ausgemachten „Nerds“ sind.

Scheitern vorprogrammiert?

Arbeit, Beruf, Beschäftigung, Gewerbe sind laut aktuellem Duden Synonyme für Profession. So kann man also sagen: Professionalität hat etwas mit der Beherrschung der ausgeübten Tätigkeit zu tun. Und Medienkompetenz beschreibt dann also den Grad der Professionalität im Umgang mit dem zentralen Kommunikationsmedium von heute, mit einiger Wahrscheinlichkeit auch von morgen. Da bleibt nur zu sagen: Gute Nacht!

Wo bleibt das Positive?

Nein, mit so dunklen Farben will ich Sie nicht in das nächste Jahr entlassen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es auch in Zukunft jede Menge Ziele, berufliche wie persönliche geben wird, die Ihren, vielleicht unseren Einsatz lohnen. Allerdings müssen wir´s anpacken. Und da bin ich mir bei Ihnen sicher, dass ich mit den richtigen spreche. Sonst würden Sie diese Worte nicht bis zum Ende gelesen haben.

Und wie wollen wir uns im nächsten Jahr begrüßen?

Noch ein Wort zu neuzeitlichen Begrüssungen. Sie zu boxen oder Ihnen gegen den Fuss zu treten, ist mein Ding nicht. Mein Vorschlag ist: Lächeln wir uns freundlich zu, verneigen uns leicht und sagen „Schön, Sie zu sehen“. Das funktioniert auch mit jedem gewünschten oder notwendigen Abstand. Vielleicht verbessert das ja auch das Klima.