Ihr Unwohlsein über die Verrohung der Sprache in der virtuellen Welt ist durchaus berechtigt. Denn leider ist die Netikette, also DER sprachliche Verhaltenskodex im Internet, in Vergessenheit geraten. Das ist sehr schade, denn schließlich würde uns allen die Einhaltung einiger Grundregeln das virtuelle Leben erleichtern. Deshalb wollen wir Ihnen die wichtigsten Regeln ins Gedächtnis rufen und Sie mit Tipps versorgen, wie Sie die Netikette richtig umsetzen. Doch zunächst werden wir eine kleine Ursachenforschung betreiben.
Aus kurz und knapp wird schnell unhöflich und mißverständlich
Wir haben es im mobilen Zeitalter mit mehreren Phänomenen zu tun, die zur Verrohung der Sprache führen. Die Fragen rund um die reale Vereinsamung von Menschen in der digitalen Welt lassen wir hier außen vor. Uns geht es um die greifbaren, praktischen Ursachen, die jeder von aus dem Alltag heraus nachvollziehen kann. Aus unserer Sicht gibt es zwei wesentliche Faktoren, die wir kurz anreißen möchten.
Kleine Displays und Tastaturen
Inzwischen lesen und schreiben wir mit den Smartphones einen Großteil unserer Nachrichten. Dabei kämpfen wir mit zwei Problemen: das Display bildet immer nur kleine Auszüge des Textes ab. Das heisst, wir können ihn nicht als Ganzes begreifen. Die Konzentration lässt schnell nach. Die zweite Hürde ist die viel zu kleine Tastatur, egal wie groß die Bemühungen der Hersteller sind, für mehr Komfort zu sorgen. Sie kann einfach nicht die Funktionen einer Computer-Tastatur abbilden. Deshalb entstehen deutlich mehr Tippfehler, und wir neigen zu verkürzten Schreibweisen. Das führt bestenfalls zu unfreiwilliger Komik, im schlimmsten Fall zu üblen Mißverständnissen.
Weile in Eile
Wer sich dem Diktat der ständigen Erreichbarkeit unterwirft, lebt im Dauerstress. So praktisch wie die modernen Smartphones sind, wenn wir unseren Alltag organisieren wollen, so tückisch verhalten sie sich auch als Zeit- und Konzentrationsfresser. Wir rufen mal eben schnell unsere E-Mails ab, da kommt ein Anruf herein. Nebenbei schicken uns „Freunde“ aus den sozialen Netzwerken vermeintlich wichtige Statusmeldungen. Und vielleicht haben wir noch die eine oder andere Alltags-App auf dem Handy, die uns mit Sonderangeboten behelligt. Jetzt mal Hand aufs Herz: wie viel Zeit und Mühe können wir da noch in eine sorgfältige schriftliche Kommunikation investieren? Wir müssen sofort etwas loswerden. Und bevor wir es vergessen, schreiben wir schnell eine Nachricht und schicken sie ab, ohne noch einmal kurz inne zu halten. Gerne vergessen wir die Anrede. Rechtschreibung und Grammatik spielen keine Rolle, und die Zeichensetzung ist sowie so überflüssiger Luxus. Kurzum: wir geben uns keine Mühe (mehr).
Netikette – was ist das?
Eigentlich heisst sie „Netiquette“ und ist ein sogenanntes Kofferwort, das sich aus den Begriffen „Net“ für Netzwerk und „Etiquette“ für Verhaltensregeln zusammensetzt. Da in der technischen Welt Englisch die Hauptsprache ist, wurde die Schreibweise entsprechend angepasst. Die Netikette ist so alt wie die Ursprünge des Internets, denn sehr schnell erkannten die Initiatoren, dass die Anonymität des Netzes verbindliche Verhaltensregeln erfordern. Damit wollten sie ein respektvolles und angemessenes Verhalten in der elektronischen Kommunikation sicherstellen.
Die wichtigsten Regeln
Interessanter Weise ist die allgemeine Netikette immer noch gültig. Auch Plattformen wie Facebook bemühen sich, deren Einhaltung durchzusetzen. Allerdings stoßen sie aufgrund ihrer Größe sehr schnell an ihre Grenzen. Sie sind darauf angewiesen, dass sich ihre Nutzer von sich aus richtig verhalten und Verstöße melden. Doch vielen ist gar nicht klar, dass die Netikette mehr als nur Benimmregeln enthält. Sie schützt auch vor versehentlichen Verstößen gegen geltendes Recht und sorgt seit langem für eine störungsfreie technische Kommunikation.
1. Zwischenmenschliches
„Formulierung und Inhalt sollten dem Zielpublikum gegenüber angemessen sein“ (Zitat Wikipedia, „Netiquette“).
Das heisst für Sie, wenn Sie E-Mails schreiben oder Onlinetexte verfassen, die folgenden Spielregeln einzuhalten:
- „Sie“ oder „Du“?
Nutzen Sie das „Du“ nur, wenn Sie denjenigen tatsächlich kennen oder es in der Gruppe zum guten Ton gehört. Ansonsten bleibt es beim „Sie“. - Die richtige Anrede
„Hallo Herr /Frau …“ ist in der E-Mailkorrespondenz tatsächlich erlaubt, in Foren ist sie ein Muss. Das „Hi …“ geht gar nicht, es sei denn, Sie sind auf Kontakte der besonderen Art aus. Die Standard-Briefanreden „Sehr geehrte …“ waren in E-Mails lange Zeit unüblich. Wer so schrieb, gehörte eigentlich nicht dazu, doch inzwischen haben sie in der elektronischen Korrespondenz ihren festen Platz gefunden. Ansonsten reagieren Sie auf Nachrichten mit der gleichen Anrede, wie sie der Absender vorgegeben hat. - Die eindeutige Formulierung
Die klare, sachliche Ausdrucksweise ist ein Muss. Beleidigungen, Unhöflichkeiten und Doppeldeutigkeiten gehören einfach nicht in elektronische Texte, denn es fehlen die non-verbalen Elemente, um sie richtig zu deuten. Das führt zu Mißverständnissen und Konflikte, die unnötig sind.
2. Technik
Tatsächlich gibt es auch technische Regeln. Doch inzwischen sind die meisten Anwenderprogramme so gut, dass sie technische Fehler ausmerzen. Sie sorgen dafür, dass Ihre Texte bei allen Lesern einwandfrei lesbar ankommen. Die einzige Ausnahme sind hier iPhones, welche gerne einen anderen Zeichensatz nutzen als alle anderen Systeme. Das führt dazu, dass Sie zum Beispiel in Deutschland statt der Umlaute kryptische Zeichenfolgen erhalten. Aber trotzdem bleibt der Text weitestgehend verständlich.
3. Lesbarkeit
Da wir es kaum besser formulieren können, hier das Original-Zitat aus Wikipedia:
„Damit sich Nachrichten möglichst gut lesen lassen, sollten sie gewissen Gepflogenheiten genügen. Dazu gehören korrekter Satzbau und Rechtschreibung (…), Zitieren durch Einrücken (…) und Weglassen überflüssiger Informationen (Nicht immer alles zitieren!). Auch sollte auf unnötige Formatierungen (HTML-Nachrichten) und den übermäßigen Gebrauch von Farben verzichtet werden. Eine maximale Zeilenlänge von etwa 65 Zeichen ist angeraten, sonst würde bei mehrfach eingerückten Zitaten (…) die übliche Zeilenlänge von 80 Zeichen überschritten und die Darstellung auf Text-Bildschirmen (…) unübersichtlich. Das andauernde Schreiben in GROSSBUCHSTABEN oder andauernde Fettschrift gilt nicht nur als unschön, sondern wird in der Regel als aggressives Schreien interpretiert und sollte daher unterbleiben. Zudem gilt es als aufdringlich und unhöflich, mehrere Satzzeichen hintereinanderzureihen.“ Siehe Überschift oben (Anmerkung der Redaktion).
Wir haben das Zitat optisch etwas aufbereitet. Sie merken an diesem Beispiel wahrscheinlich schon selbst, wie gut oder schlecht das „ankommt“.
4. Sicherheit
Hier geht es im weitesten Sinne um die Verschwiegenheit und Vertraulichkeit von Nachrichten. Sie müssen davon ausgehen, dass Dritte die Nachrichten einsehen können, obwohl diese nicht an sie adressiert waren. Manchmal muss ein Admin in die eMail-Logfiles schauen, weil das System Probleme bereitet. Es wäre schlecht, wenn er da zum Beispiel versehentlich auf eine interne Korrespondenz über seine betriebsbedingte Kündigung stieße. Ein anderes Beispiel kennen Sie bestimmt auch: E-Mailverteiler mit „CC“ und „BCC“ und den Button „An alle antworten“. Damit werden alle vermeintlich Interessierten in Kenntnis gesetzt – auch jene, die Sie vielleicht ausklammern wollten. Da ist es besser, keine verfänglichen Inhalte zu verfassen.
5. Rechtliches
Bitte beachten Sie einfach das Urheberrecht und das Zitatrecht. Geben Sie den Namen des Urhebers korrekt an und nennen Sie die Quellen. Im Internet gehört es auch zum guten Ton, entsprechende Links auf den Originaltext zu setzen.
Mühe geben lohnt sich
Zum Schluss geben wir Ihnen noch einen Rat, der sich in unserem Alltag bewährt hat. Schreiben Sie Ihre E-Mails so, wie Sie früher „normale“ Geschäftsbriefe formuliert haben: mit korrekter Anrede, höflicher Einleitung, sachlicher Darstellung, verbindlichem Schlusswort und Grußformel. Wenn Sie zu faul sind, immer alles neu einzutippen, dann legen Sie einfach verschiedene Textbausteine an. Und schreiben Sie so, wie Sie auch von Ihrem Gegenüber behandelt werden wollen. Damit bauen Sie eine Brücke für konstruktive Problemlösungen und ersparen sich unnötigen Stress. Auf diese Weise hinterlassen Sie immer einen guten Eindruck. Und es kann sogar Spaß machen.