Die „Bundes-Notbremse“
Sie ist jetzt schon ein paar Tage alt, diese Bundes-Notbremse. Noch immer ärgern sich viele von uns, was der Gesetzgeber da mit heißer Nadel zusammen gestrickt hat. Vor allem die Unternehmen dürfen sich mit den Konsequenzen herumschlagen. Eigentlich heißt sie offiziell „Viertes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite„, kurz „4. Infektionsschutzgesetz“. Aber das klingt wohl zu phantasielos und pragmatisch. Damit ist es wenig pressetauglich-plakativ. Also macht man lieber eine staatlich verordnete Notbremsung daraus, ohne Motivationsschub für das Vorantreiben diverser sinnvoller Maßnahmen?
Ein Zitat
Also ausbremsen, statt Vollgas geben – zum Beispiel auch in Sachen Homeoffice? Möglich. Doch bevor wir vorschnell urteilen, lassen Sie uns erst einmal einen Blick ‚reinwerfen, in diese „Bundes-Notbremse“.
„(7) Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. Die zuständigen Behörden für den Vollzug der Sätze 1 und 2 bestimmen die Länder nach § 54 Satz 1.“
Das klingt nach dem Homeoffice als Zwangsmaßnahme. Zugleich liest sich dieser Passus so, als ob man sich die konsequente Durchsetzung gegenüber den Unternehmen nicht wirklich zutraut. Deshalb hält man in der Bundes-Notbremse über den wagen „Einspruch“ ein Hintertürchen offen. Und durch diese Unverbindlichkeit ermöglicht der Gesetzgeber den Homeoffice -Verweigerern unter den Arbeitgebern, hinreichend ablehnende Gründe zu finden. Dabei stehen die meisten Unternehmen dem Homeoffice aufgeschlossen und bereitwillig gegenüber. Zumindest die, mit denen wir zu tun haben.
Eine kleine Bestandsaufnahme
Die bis Ende Juni geltende Bundes-Notbremse mag bis dato (Anfang Mai 2021) tatsächlich schon einiges bewirkt haben. Denn das Infektionsgeschehen ist glücklicher Weise rückläufig. Aber machen wir uns nichts vor. Das liegt weniger daran, dass wir jetzt alle noch vernünftiger oder vorsichtiger geworden sind. Noch haben die Unternehmen alle Möglichkeiten zur Eindämmung des Infektionsortes „Arbeitsplatz“ vollends ausgeschöpft. Der Dank geht hier wohl vielmehr an die steigende Anzahl bereitwilliger Impfärzte und Impfwilliger.
Leider gibt es tatsächlich gibt es immer noch Betriebe – übrigens auch in der öffentlichen Hand – denen es entweder am Willen oder an realen Möglichkeiten zur Umsetzung der Bundes-Notbremse fehlt. Da ist diese mit der heißen Nadel gestrickten Homeoffice-Regelung natürlich sehr hilfreich. Denn die argumentativen Schlupflöcher helfen auch bei einem anderen Dilemma: Bevor man die „Homeoffice-Pflicht“ gesetzlich verordnet, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Diesen Zustand haben wir leider immer noch nicht erreicht. Also ist es vielleicht doch ganz gut, nicht zu bindenden oder konkret zu werden? Möglicher Weise beflügelt diese Bundes-Notbremse ja doch die Phantasie oder fördert pragmatische Lösungen?
Konsequenzen
Um Missverständnissen oder Begehrlichkeiten vorzubeugen: Ich bin davon überzeugt, dass wir alle, also ArbeitgeberInnen oder ArbeitnehmerInnen, uns je nach unseren Möglichkeiten an der Bekämpfung der Pandemie beteiligen müssen. Dies ist unsere selbstverständliche Verpflichtung. Dazu gehört meiner Meinung nach, dass ArbeitnehmerInnen, die sogenannte Schreibtisch-Tätigkeiten ausüben, dies auch ausserhalb der Unternehmensräume tun dürfen, wollen, sollen und können. Und es ist gut, wenn der Gesetzgeber dies nachdrücklich einfordert.
Aber was heißt das genau? Zum Beispiel, dass die betroffenen Unternehmen dies ausdrücklich in aller Konsequenz gestatten. Dazu gehört auch, weiterhin den Arbeitsschutz, Versicherungsschutz etc. am heimischen Arbeitsplatz genau so umzusetzen und einzuhalten, wie in den Geschäftsräumen. Hier müssen sich andererseits auch die Beschäftigten einbringen. Sie müssen daran mitarbeiten, dass die notwendigen Rahmenbedingungen auch geschaffen werden und erhalten bleiben.
Aber „Goodwill“ auf allen Seiten alleine genügt nicht. Wir brauchen einen massiven Aufbau von Kompetenzen, also mediales, fachliches und organisatorisches Wissen, wie man Homeoffice-Infrastruktur professionell aufbaut und nutzt. Und zwar parallel zum Aufbau einer professionellen technischen Infrastruktur. Und auch nicht erst seit Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020. Man möge mir diesen harten Vergleich verziehen, aber hier stecken die „Player“ derzeit – mit ein paar positiven Ausnahmen – bestenfalls im Mittelalter.
Was ist zu tun?
Es sollte klar sein, dass jeder seinen Beitrag zur Umsetzung dieses unglücklichen Homeoffice-Passus in der Bundes-Notbremse leisten muss. Denn eigentlich ist diese Situation auch eine riesen Chance für den Zukunftsstandort Deutschland – auch über den 30. Juni 2021 hinaus. Aber wir müssen alle eine ganze Menge dazu beitragen. Fangen wir mit der Rolle der Arbeitgeber an.
Die Arbeitgeber
Wir sollten als Arbeitgeber immer ein Interesse daran haben, kluge, interessierte, gut ausgebildete und engagierte MitarbeiterInnen zu gewinnen und zu behalten. Jeder Neuling bringt ein großen Teil dieser Eigenschaften ins Unternehmen ein. Danach liegt es bei uns als Arbeitspartner, ob wir diese Eigenschaften in die positive oder in die negative Richtung beeinflussen. Diese Entwicklung haben wir selbst in der Hand. Deshalb muss der Arbeitgeber die technischen und organisatorischen Voraussetzungen schaffen, damit der Arbeitnehmer seiner Tätigkeit mehr oder weniger auch ausserhalb der Unternehmensräumlichkeiten nachkommen kann. Er muss die entsprechende Technik aufbauen, vorhalten und pflegen (angepasste IT-Architektur, sicherer IP-Zugang zur Unternehmens-IT, technische Arbeitsmittel wie Notebooks, Hard- und Software-Pflege u.a.m.). Eventuell gehört auch die Bereitstellung oder Finanzierung von weiteren Arbeitsplatzmitteln dazu.