Not(aus)gebremst? (Achtung, Meinung!)

Aber damit nicht genug. Denn selbstverständlich muss der Arbeitgeber auch für dienotwendige Aus- und Weiterbildung Sorge tragen. Dazu gehören Medienkompetenz, Umgang mit geeigneten IT-Werkzeugen und Arbeitsorganisation. Zwar ist der Arbeitnehmer als „Partner“ hier auch in der Pflicht, doch Arbeitgeber muss dies organisieren und finanzieren. Der Staat kann unterstützen, durch Finanzhilfen und qualitätsfördernde Maßnahmen.

Die Arbeitnehmer

Wir sehen Arbeitgeber und Arbeitnehmer tatsächlich als Geschäftspartner. Im Idealfall agieren sie auf Augenhöhe, zumindest was die professionelle Einstellung zu betrieblichen Notwendigkeiten betrifft. Deshalb muss der Arbeitnehmer die generelle Bereitschaft zur Arbeit ausserhalb der Unternehmensräumlichkeiten zeigen und an der eventuell nötigen Verbesserung der lokalen Möglichkeiten sowie an der nötigen Aus- und Weiterbildung mitwirken. Dazu gehört übrigens auch, dass er den Arbeitgeber über Hindernisse bei der Umsetzung einer professionellen Arbeitsumgebung in der heimischen Wohnung informiert. Denn nur dann kann man gemeinsam Abhilfe schaffen.

Der Staat

Es reicht nicht, per Gesetzesbschluss Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu mehr Homeoffice zu verdonnern und Notausgänge bei Umsetzungsproblemen zu bauen. Der Staat hat als Rahmen-gebender Partner in diesem Spiel vielleicht die wichtigste Rolle. Schließlich muss er VORHER sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Also für Infrastruktur, Kompetenzen und Anschubmotivation sorgen. Danach kann er gerne verordnen, abstrafen, alles das. Sogar jetzt noch, wenn auch mit erheblicher Verspätung, besteht diese einzigartige Chance, entsprechende Kompetenzen aufbauen, um mobiles Arbeiten zu ermöglichen und damit zukunftsfähig zu werden.

Drei Beispiele für den dringenden Handlungsbedarf

Dass hier dringender Handlungsbedarf besteht, zeigen drei Beispiele, die ich in meinem unternehmerischen  Alltag seit Beginn der Homeoffice „Sunrise Period“ erlebt habe. Der Geschäftsführer einer öffentlichen Wirtschaftsorganisation verlangte die erneute Zustellung einer per Mail übermittelten Rechnung im pdf-Format. Seine Begründung lautete: „Ich bin doch jetzt auch ins Home Office verbannt und nun komme ich an Ihre Mail von vorgestern nicht mehr ran …“ Diese Aussage ist leider kein Einzelfall. So etwas ist das doppelt peinlich. Denn der Arbeitgeber hat nicht für die nötige technische Infrastruktur gesorgt, sondern der Arbeitnehmer hat sich nicht darum gekümmert, diesen Zustand zu ändern.

Der Projektleiter einer Digital-Agentur war telefonisch nicht zu erreichen. So etwas kommt vor. Aber wenn man die Auskunft erhält: „Sie sind hier in der Zentrale gelandet und der Herr … ist im Home Office. Nein, ich kann Sie nicht verbinden“, dann lässt das für die Qualität der Produkte und Services dieses Anbieters von digital Leistungen nichts Gutes erwarten. Immerhin, der Projektleiter wurde per Mail von der armen Mitarbeiterin in der Zentrale benachrichtigt und rief dann zwei Tage später zurück.

Auch der Gesetzgeber muss umdenken

In seinem Gesetzentwurf aus dem April 2021 verwendet der Gestzgeber immer noch Begriffe wie „Home Office“ bzw. eine andere umständliche Umschreibungen für das Arbeiten außerhalb der unternehmenseigenen Räumlichkeiten – als ausschließliche Alternative. Und das ist sehr traurig. Es zeigt nämlich, dass sich die Verfasser seit mehr als zwanzig Jahren  wenigstens nicht nach vorn entwickelt haben, bestenfalls also stehen geblieben sind. Denn es geht gar nicht mehr nur um die Verlagerung des Arbeitsplatzes, sondern auch um die Veränderung Arbeits- oder Prozess-Organisation. Diese gehören zu einem nennenswerten Teil einfach dazu. Doch dazu fehlt jedoch nicht nur in dem zitierten Gesetz jede Spur. Auch in der öffentlichen Diskussion findet man beinah nichts dazu, dass neben passender Technik auch passende Motivation und Arbeitsorganisation nötig ist.

Beides ist wichtig: Technik UND Organisation

Sicherlich ist das alles andere als einfach und mehr als nur eine technische Herausforderung. Der persönliche Einsatz aller Beteiligten ist schon erforderlich. Das heisst: bewegen müssen wir uns alle. Dass es auch anders geht, sogar Spass machen und uns erfolgreicher machen kann, zeigt ein Beispiel aus dem Jahr 2001.

Ein kleiner letzter,  persönlicher Exkurs

Ich war vor eingen Jahren mit unserem Wohnwagen auf einem Campingplatz in Nord-Italien. Mein Notebook hatte ich dabei und wollte eigentlich nur täglich einmal meine Mails prüfen, einige weiterleiten, andere liegen lassen und später beantworten. Internetzugang via externem Router mit eigener SIM-Karte war nicht nur teuer, sondern eben auch wirklich langsam. Wenn sich spät Geborene heute über 5 Mbit/s beklagen, kann ich darüber mit Blick auf die GSM-Geschwindigkeit nur milde lächeln.

Während des besagten Urlaubs kam die Anfrage per Mail nach einem Hostingangebot, der Interessent hatte einen spannenden Namen, die Frist zur Abgabe war sportlich. Das angefragte Angebot erforderte mehrere Telefonate und Mails sowie natürlich dann die Erstellung des angefragten Angebotes. Nach drei Tagen kam die Nachricht des Interessenten, der nun zum Kunden wurde. Heute ist dies einer unserer 1A-Kunden. Aber warum erzähle ich das jetzt?

Ein persönliches Fazit

Natürlich sollte im Sinne von Work-Live-Balance während der Urlaubszeit nicht gearbeitet werden. Prinzipiell ging ich in den letzten Jahren, in denen normaler Urlaub möglich war, der Arbeit auch weiträumig aus dem Weg. In einem service-orientierten Unternehmen mit hartem Wettbewerb kann man dies aber durchaus auch erweitert analog anstatt nur digital betrachten. Damals war meine Einschätzung: „Der Aufwand könnte sich lohnen“. Diese Art von Flexibilität in der Arbeitsumgebung und -organisation ist gefragt. Heute mehr denn je.

So etwas in Gesetze zu packen, ist natürlich alles andere als einfach. Besonders, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer als naturgegebene Feinde beschrieben werden. Das sind sie aber nicht (mehr) zwangsläufig. Ich kenne viele reale Beispiele, wo beide am selben Strang ziehen und in der aktuellen Lage sehr flexibel an der Lösung gemeinsamer Probleme arbeiten. Daran sollten wir uns orientieren und die Herausforderung motivert angehen. Dann kommt unser Staat vielleicht auch auf die Idee, dass eine solch wegweisende Regelung eher in ein „Beschleunigungsgesetz“ gehört, denn in eine „Bundes-Notbremse“.